Die Zeit – Eine vergessene Komponente der Geographie

Wir Geographen sollten uns wesentlich öfter mit der Zeit beschäftigen. Nicht im Sinne von Zeitplanung, wie man es gewöhnlich im Alltag tut. Sondern im systemischen Sinne. Denn die Geographie kennt nicht nur drei Dimensionen, x, y, z, Rechtswert, Hochwert, Lat/Long, usw. Die Erde dreht sich einmal in 24 Stunden um sich selbst, in etwa 365 Tagen einmal um die Sonne, liegt dazu noch ein bisschen schief, außerdem eiert sie noch ein wenig. Wozu führt das?  Wir haben Tag und Nacht, deren Länge je nach geographischer Position auf der Erde und nach der Position der Erde gegenüber der Sonne variiert.

Alles was auf der Erde existiert und stattfindet, kann verortet werden, aber bei der Verortung denken wir oft nicht an die Zeit. Die Zeit ist unsere vierte Dimension, also sollten auch Geographen sich damit beschäftigen. Ich finde es interessant, dass unser ganze Leben von einer Konvention geregelt wird, mit der wir uns kaum kritisch auseinandersetzen. Ich spreche von den Regelungen, die auf der internationalen Meridiankonferenz im Jahr 1884 festgelegt wurden. Vor dieser Konferenz hatte jeder Ort seine eigene Zeit, die Ortszeit. Damals führte die zunehmende Vernetzung der Städte durch Eisenbahnen zu immer mehr Problemen, weil an jedem Bahnhof eine andere Zeit galt. Und  jeder Reisende musste seine Taschenuhr ständig nach den Kirchturm- oder Bahnhofsuhren nachstellen. Die Ortszeit orientierte sich ja an der astronomischen Zeit, also am Höchststand der Sonne. Und liegen zwei Orte nicht auf der gleichen Geographischen Länge, geht auch die Sonne nicht gleichzeitig auf oder unter. Um dieses Problem zu beheben, wurden auf der Meridiankonferenz die Zeitzonen festgelegt. Anfangs orientierten sich die Zeitzonen exakt an den Meridianen, aber jedes Land begann die Zeitzonen auf ihre Landesausdehnung anzupassen, sodass wir heute dieses Bild vorfinden. Und hin und wieder werden auch heute noch Anpassungen vorgenommen, damit z.B. ein Land in eine andere Zeitzone rutscht, um die Wirtschaft mit der eines anderen Landes zu koordinieren. Besonders stark ist dieser Effekt, wenn es um Länder an der Datumsgrenze geht. Vor einiger Zeit stellten einige Länder Ozeaniens ihre Zeitzone so um, dass sie östlich der Datumsgrenze liegen, um ihre Wirtschaft näher an die USA zu bringen, da sie sonst fast einen Tag vorraus sind. Da sich der positive Effekt aber nicht wirklich eingestellt hat, wechselte kürzlich ein Land wieder „auf die andere Seite“ der Datumsgrenze, wodurch mal gleich ein ganzer Tag übersprungen wurde. Man erhofft sich dadurch bessere wirtschaftliche Anbindung an Australien, weil es sich sowieso als der wichtigere Handelspartner erwiesen hat. Ich habe dazu neulich einen sehr interessanten Blog-Artikel gelesen, den ich bei Gelegenheit mal wieder raussuchen muss. Wenn man sich damit beschäftigt, findet man aber auch noch sehr viele weitere Beispiele für Kuriositäten, die durch die Zeitzonen-Regelungen entstehen. Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss auf den Bio-Rhythmus dse Menschen, der ja bei der Sommerzeit-Diskussion auch immer wieder eine Rolle spielt.

Was wäre aber, wenn wir unsere Uhrzeit von den astronomischen Parametern entkoppeln und eine globale Zeit übernehmen würden? Technisch gesehen ist das sowieso nötig und wird auch umgesetzt. Die Kommunikation im Internet ist auf einheitliche Standards angewiesen, weswegen hier die GMT (Greenwich Mean Time) eingesetzt wird. Sogar das GPS-Satelliten-System basiert auf Zeitstempeln. Unser jetziges System basiert zwar auf der GMT, aber die Umrechnung zwischen den Zeitzonen erschwert immer mehr die globale Kommunikation. Wenn ich mich mit einem Geschäftspartner am anderen Ende der Welt zu einer Skype-Konferenz verabreden will, muss ich zwischen zwei Zeitzonen umrechnen, wenn ich eine globale Konferenz machen will, dann muss ich im schlimmsten Fall zwischen mehr als 24 Zeitzonen umrechnen (Manche Länder haben Sommerzeit, manche haben halbe Zeitzonen). Alles was wir tun müssten, wäre die Zeitzonen abzuschaffen und uns an der GMT zu orientieren. Das heißt dann lediglich, dass hier in Berlin um Null-Uhr nicht Mitternacht ist. Aber who cares? Unsere Sprache unterscheidet sowieso ziwschen den Zeitformaten. Wenn ich mich verabrede, dann sage ich für gewöhnlich „zur Mittagszeit“, „gegen Abend“, „um Mitternacht“. Die astronomische Zeit an einem Ort wird ja wegen der Umstellung nicht ausgeschaltet.

Ach und zum Schluss möchte ich noch mit euch teilen, wie ich auf diesen Artikel gekommen bin. Ich habe heute früh bei Hacker News von der Seite time.is erfahren. Das ist sehr praktisch, wenn man mal nicht sicher ist, ob die Computerzeit richtig eingestellt ist, oder eine Zeit für eine Telefonkonferenz umrechnen muss. Hier mal ein kleiner Auszug von der Selbstdarstellung der Seite:

  • Finde die aktuelle Uhrzeit von über 7 Millionen Orten rund um den Globus heraus
  • Überprüfe, ob deine Uhr die exakt Uhrzeit zeigt
  • Vergleiche Uhrzeiten an verschiedenen Orten
  • Kalender
  • Zeitpunkt von Sonnenaufgang und Sonneruntergang
  • Finde heraus, zu welcher Zeitzone ein Ort gehört
  • Informationen über die heutigen Feiertage oder Kirchenfeste
  • Breiten- und Längengrade
  • Integrierte Vollbilddarstellung von Google Maps
  • Bevölkerungszahlen
  • Fakten zu jedem Land in der Welt

Time.is ist für mobile Devices geeignet. Es nutzt nur eine geringe Bandbreite und das Design passt sich an kleine Bildschirme an.

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